Das einschneidenste Ereignis meines Lebens geschah in der Nacht vom 3o. zum 31. Mai 1972. Vorausgegangen war ein zehntägiges gruppendynamisches Training, das am Freitag vor Pfingsten begonnen hatte. Als ich später über diese Tage nachdachte, wurde mir bewußt, daß das Training ein gemeinsamer Umkehr– und Reinigungsprozess gewesen war. Wir haben uns damals gleichsam gegenseitig geholfen, die „Splitter und Balken“ in unseren Augen zu erkennen, sie nicht nur bewußt zu machen, sondern sie auch liebevoll zu entfernen – wenigstens so weit dies möglich war. Am Ende dieser Tage hatte es nur noch ein Thema gegeben, nämlich unsere Beziehungen zu Gott sowie all die Begegnungen, die wir mit ihm schon haben durften. Und ich glaube, daß jeder von uns spürte, wie nahe uns Gott in diesen Tagen gekommen war.
Unmittelbar nach diesem Training mußte ich zu einer Tagung nach Mainz fahren. In der darauffolgenden Nacht , also vom 30. zum 31. Mai, geschah mit mir etwas, das sich nur schwer in Worten ausdrücken läßt. Vielleicht hatte es entfernt Ähnlichkeit mit dem Erlebnis, das der hl. Paulus im 2. Korintherbrief, Kap. 12 Vers 2 ff beschreibt („….ich weiß nicht, ob im Leibe oder ausser dem Leibe“….).Es begann damit, daß ich den nächtlichen Sternenhimmel vor mir sah, in den ganz plötzlich in einer weißen Leuchtschrift der Name „Jesus“ groß hineingeschrieben wurde. Dann wechselte das Bild, und ich sah einen Teil der gekrümmten Erdoberfläche, wie sie etwa von einer Weltraumstation aus zu sehen ist. Es brauste ein Sturmwind über die Erde hinweg und wirbelte hohe Staubwolken auf. Dazu vernahm ich die Worte: „Es kommt eine große, weltweite Erneuerung der Kirche im Heiligen Geist – und sie heißt ´Pfingstbewegung.´ Ich berufe dich, daß du dich hierfür mit ganzer Kraft einsetzt.“ Zugleich mit dieser Botschaft wurde mir gezeigt, daß diese Erneuerung aus drei Gründen kommt:
1. um die Kirche und die kirchlischen Gemeinschaften zu erneuern;
2. um sie durch den Heiligen Geist zur Einheit zu führen;
3. um die Menschheit vor dem Untergang zu bewahren.
Als ich hinterher hellwach wurde, wußte ich zunächst nicht, wie mir geschehen war. Ein unglaubliches Glücksgefühl erfüllte mich (und hielt danach noch wochenlang an). Mir wurde das Pauluswort bewußt, daß Jesus in uns neu Gestalt gewinnen will. Irgendwie spürte ich, daß dieser Prozess jetzt in mir beginnen sollte.
Etwa vier Wochen nach diesem einschneidenden Erlebnis erfuhr ich von verschiedenen Seiten, daß es diese „Pfingstbewegung“, die mir in der Nacht genannt worden war, tatsächlich gibt und daß sie, von Amerika kommend, sich jetzt auch in Deutschland ausbreite. Auf diese Weise konnte ich schon bald mit Leuten in Verbindung treten, die von dieser Bewegung erfaßt waren. Die Pfingstbewegung änderte allerdings schon bald ihren Namen in „Charismatische Erneuerung“.
In der Folgezeit spürte ich ganz deutlich, wie Gott mich zu führen begann und mir direkt auch Aufträge gab. Vor allem sollte ich zu meinem obersten Dienstherrn gehen – ich war damals im Ordinariat in München tätig – und sollte ihm, also Kardinal Döpfner, sagen, was ich erlebt hatte und welche Aufgabe mir jetzt neu aufgetragen worden war. In Unkenntnis, wie gehorsam man solchen Aufträgen gegenüber sein muß, stellte ich mich dabei reichlich ungeschickt an. Vor allem hatte ich große Angst, daß der Kardinal mich für verrückt erklären und mir die Kündigung in die Hand drücken könnte. Wie auch immer sich das im einzelnen verhalten haben mag: Nach Wochen tiefster Freude und Beglückung kam im November eine Zeit der Finsternis über mich. Man kann da wohl von einer Art innerem Sterbeprozess sprechen. Er hielt eine ganze Reihe von Monaten an. Aber trotz dieser „geistigen Nacht“ suchte ich, soweit möglich, diesem an mich ergangenen Auftrag gerecht zu werden. Er führte mich nach einiger Zeit schließlich ins Diakonat und 15 Jahre später – nach dem Tod meiner Frau – ins Priestertum.
Abschließend möchte ich sagen: Ich bin überzeugt, daß die Neuausgießung des Heiligen Geistes, die wir heute weltweit erleben (leider in Deutschland noch am allerwenigsten!), uns von Gott geschenkt wurde, um dem furchtbaren Zusammenbruch von Kirche und Glaube zu überwinden, der sich heute vor unseren Augen vollzieht. Und ich kann alle Gläubigen – alle Bischöfe, Priester und Laien – nur aufrufen: Übergebt von neuem euer Leben ganz Gott. Öffnet euch für ein Neuerfülltwerden mit dem Heiligen Geist, damit ihr in der Kraft von oben die Menschen unserer Tage neu zur Umkehr und zum Glauben führen könnt. Alle nur menschliche Betriebsamkeit jedoch, alles Organisieren, Beraten und Pläneschmieden hilft nichts, wenn uns nicht der Heilige Geist erfüllt und leitet. Und ohne die Gaben des Heiligen Geistes, ohne die Fülle der uns von Gott verheissenen Charismen, wird es keine Neuevangelisierung geben. So wie die Predigt Jesu von Zeichen und Wundern begleitet war, so wie der Herr die Verkündigung der Apostel durch solche Machttaten bekräftigte, so will er dies auch in unseren Tagen von neuem tun. Und wenn wir uns dem öffnen, – aber nur dann! – werden wir auch bei uns in Deutschland einen neuen Frühling der Kirche erleben.
Noch ein Nachwort: Was ich in der oben beschriebenen Nacht vom 30. zum 31. Mai erlebt habe, konnte ich 1981 dem jetzigen Papst erzählen. (Er war damals unser Erzbischof in München und hatte mich 1977 zum Diakon geweiht.) Wenn er beispielsweise zum Pfingstfest 2006 alle geistlichen Bewegungen – auch die nichtkatholischen! – nach Rom eingeladen hat, so ist das für mich ein Zeichen, daß er hofft, daß der Heilige Geist die Kirchen wieder zur Einheit zusammenführen wird. Auch hat er sich wiederholt ganz positiv über die „Charismatische Erneuerung“ geäussert. Ja, er ist ein Mann des Heiligen Geistes ist. Gott schenke ihm noch viele Jahre fruchtbaren Wirkens!