Aus der Geschichte der Charismatischen Erneuerung

Die „Charismatische Erneuerung“ ist nicht Menschenwerk, sondern Werk Gottes. Man sieht es schon daran, dass es hier keine „Gründerpersönlichkeit“ gibt, wie dies alle anderen geistlichen Bewegungen haben. Vielmehr ist diese Erneuerung von einer Reihe wunderbarer Ereignisse begleitet worden, die an das Eingreifen Gottes beim Entstehen der jungen Kirche nach der Himmelfahrt Christi erinnern, wie das in der Apostelgeschichte aufgezeichnet ist.

Es fing damit an, dass etwa 1895 eine unscheinbare kleine Ordensfrau – Elena Guerra – den Eindruck hatte: Gott will, dass das 20. Jahrhundert ein Jahrhundert des Heiligen Geistes werden soll. Nachdem ihr der HERR immer wieder eingegeben hat, dieses Anliegen dem damaligen Papst – Leo XIII – vorzutragen, tut sie dies schließlich nach längerem Zögern – und das Wunder geschieht: Der Papst greift diese Idee auf, ordnet weltweit das Abhalten von Pfingstnovenen an und verfasst auch eine heute noch lesenswerte Enzyklika.

Aber sowohl der Papst als auch Elena Guerra müssen erleben, dass dieser Impuls nur sehr begrenzt in der katholischen Kirche aufgegriffen wird. Und doch erhört Gott diese Gebets: Am ersten Tag des neuen Jahrhunderts knien sich einige junge Leute vor ihrem Pastor in Topeka (Texas) nieder und bitten, er möge ihnen die Hände auflegen und für sie um eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes bitten. Sie erleben eine Erhörung dieses Gebets und eine große Freude. Sie beginnen, in neuen Sprachen zu beten. 1906 kommt es dann zu einer weiteren verbreiteten Geistausgießung in der Azusa–Street in Los Angelos. Von dort breitet sich diese Erfahrung sehr schnell ijn alle Himmelsrichtungen aus. Es entstehen als neue Denomination die „Pfingstler“, die bis heute das größte zahlenmäßige Wachstum aller religiösen Gemeinschaften aufweisen.

Nach dem 2. Weltkrieg verspürt Demos Shakarian – ein aus Armenien eingewanderter Christ – den vom HERRN gegebenen Auftrag, eine ökumenische Gemeinschaft zu gründen, die das „volle Evangelium“ – unter Einschluß der Geisttaufe – allen christlichen Gemeinschaften vermitteln soll. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelingt es tatsächlich, dass die „Full Gospel Business–Men“ sich in viele Länder ausbreiten. Das führt u. a. dazu, dass sich auch immer mehr protestantische Pfarrer für die „Pfingstbewegung“ interessieren, was allerdings oft auch zu Konflikten in den Gemeinden führt.

Eine weitere wichtige Gestalt in diesem Prozess ist David du Plessis, der auch „Mr. Pentecost“ genannt wurde. Wie alle Pfingstler war auch er der festen Überzeugung, dass nur Pfingstler im Heiligen Geist getauft werden können. Als er allerdings nach einem schweren Verkehrsunfall wochenlang im Krankenhaus lag, zeigte ihm Gott, dass die Heilig–Geist–Erfahrung für alle Christen aller Konfessionen bestimmt ist. Er sagte später: „Gott musste mir erst alle Knochen brechen, bevor ich erkannte, was Gott eigentlich vor hat.“ Er wurde deshalb von seinen eigenen Leuten angegriffen. Trotzdem konnte er 1962 als Vertreter seiner Gemeinschaft zum II.Vatikanischen Konzil reisen. Und entgegen seiner Vermutung wurde er von den katholischen Kardinälen nicht abgewiesen, vielmehr hörten sie ihm voll Interesse zu, als er von seinen Erfahrungen berichtete.

Im Konzil selbst kam es dann auch zu einer Auseinandersetzung über die Geistesgaben. Kardinal Ottaviani, der damalige Leiter der Glaubenskongregation, stellte die Behauptung auf, dass Gott die Charismen nur für die Anfangszeit der Kirche geschenkt habe. Nachdem die Kirche etabliert war, hätte er sie wieder zurückgenommen. Kardinal Suenens (von Brüssel) aber entgegnete ihm, dass die Geistesgaben während der ganzen Kirchengeschichte nie verschwunden seien und dass es sie bis zur heutigen Stunde gäbe. Das Resultat dieser Wortmeldung war, dass in der 1964 verabschiedeten Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“ im Abschnitt 12 ausdrücklich die Gnadengaben genannt werden, und zwar sowohl solche „von besonderer Leuchtkraft“ als auch die schlichteren, die „allgemeiner verbreitet sind.“ Ebenso wird im Dekret über das Laienapostolat in Abschnitt 3 ausdrücklich von den Geistesgaben gesprochen (und auch an mehreren anderen Stellen).

Etwa drei Jahre später, am 17. Februar 1967, kam es beim sog. Duquene–Weekend in USA im mittleren Westen zu einer ersten größeren Geistausgießung unter Studenten der katholischen Duquene–Universtität. Bald darauf wurden auch Studenten anderer katholischer Universitäten z.B. in South Bend und Notre Dame davon erfasst. (Näheres darüber kann man im Buch „Wie ein neues Pfingsten“ von Patti Gallagher Mansfield nachlesen). Da diese jungen Leute mit allen Teile der USA in Verbindung standen, breitete sich diese Erfahrung rasch in der katholischen Kirche der USA, aber darüber hinaus auch in vielen weiteren Ländern aus.

Während in Deutschland die ersten evangelischen Gebetsgruppen schon in den 60er Jahren entstanden waren, begannen ab 1971/72 auch die ersten charismatischen Gruppen in Deutschland zu entstehen.

Auch mich selbst hat der HERR damals gerufen. Ich war 1972 10 Tage über Pfingsten mit Mitarbeitern der kath. Erwachsenenbildung zu einem „Sozialtraining“ zusammen gewesen, wobei das ganze auf einen gemeinsamen Umkehr– und Reinigungsprozess hinauslief. Ohne zu wissen, wie uns geschah, erlebten wir sowohl Befreiungsvorgänge als auch ansatzweise bereits Charismen – allerdings ohne dass uns das damals bewusst geworden wäre. Nach Ende dieser aufregenden Tage erlebte ich in der Nacht vom 30. zum 31. Mai eine Art nächtliche „Vision“, bei der mir – bildlich und durch direkte Mitteilung – gezeigt wurde, dass eine große Erneuerung der Kirche käme und dass sie den Namen „Pfingstbewegung“ trüge. Zugleich wurde mir der Auftrag erteilt, hier mit aller Kraft tätig zu werden. Als ich nach diesem Erleben wieder zu mir kam, war ich von einem unbeschreiblichen Glücksgefühl erfasst, das monatelang anhielt und das mir auch heute noch gegenwärtig ist. Vier Wochen später erfuhr ich über seltsame Umwege, dass es diese „Pfingstbewegung“ tatsächlich gibt. Ich bekam dann erste Kontakte zu Leuten, die diese bereits kannten. In ersten Gesprächen erfuhr ich, dass die beglückende Erfahrung, die ich nächtlich gemacht habe, „Geisttaufe“ genannt wird, und dass bereits ungezählt vielen Menschen in allen Ländern der Erde dieses Geschenk zuteil wurde.

Bei dieser Art „Vision“ wurde mir auch gesagt, dass diese „Pfingstbewegung“ zur Erneuerung aller Kirchen im Heiligen Geist führen solle. Der Geist Gottes wolle dann wieder alle Christen zur Einheit führen Und gemeinsam sollten die Christen daran gehen, die übrige Menschheit zu Christus zu bekehren. Wenn dies allerdings nicht gelänge, müsse die Menschheit zugrunde gehen.

All das konnte ich 1980 bei einem Gespräch dem heutigen Papst – meinem damaligen Oberhirten – berichten. Er hörte mir sehr aufmerksam zu und stellte mich dann für ein Drittel meiner Arbeitszeit für die Arbeit in der Charismatischen Erneuerung frei.

Man kann sich natürlich fragen: warum hat Gott diesen seltsamen Weg zur Erneuerung der Kirche gewählt: Von der katholischen Kirche über die Pfingstler zu den verschiedenen protestantischen Denominationen und schließlich wieder zur katholischen Kirche zurück. Meines Erachtens lautet die Antwort: Nur auf diesem Weg konnte diese Heilig–Geist–Spiritualität alle Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften erfassen. Wenn es im Jahr 1901 ausschließlich in der katholischen Kirche begonnen hätte, wäre die Chance gering gewesen, alle Nichtkatholiken zu erreichen.
Dr. Hansmartin Lochner

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