Katholische und evangelische Rechtfertigungslehre

Da heute viele meinen, daß der katholische und der evangelische Glauben im wesentlichen gleich sei, sei hier auf einige wichtige Unterschiede in der sog. Rechtfertigungslehre hingewiesen: Die evangelische Sicht der Rechtfertigung lässt sich etwa so darstellen: Der Mensch ist aufgrund der Erbschuld völlig verdorben und zu keinem guten Werk fähig. Er ist und bleibt Sünder. Gott aber sieht ihn um des Erlöserleidens Christi willen gnädig (sola gratia) an und deckt seine Sünden zu. Der Mensch bleibt deshalb „simul iustus et peccator“, also Gerechter und Sünder zugleich. Seine Rechtfertigung erkennt der Mensch allein im Glauben (sola fide). Für den erlösten Menschen gibt es deshalb keine Sünde, die er meiden, und kein gutes Werk, das er tun müsse, um das Heil zu erlangen.Die katholische Rechtfertigungslehre lässt sich hingegen kurz etwa so beschreiben: Der Mensch wird durch die Taufe von der Erbschuld und jeder Sünde befreit. Dank der heiligmachenden Gnade ist er Kind Gottes. Er hat Anteil am göttlichen Leben, das ihn zu guten Werken befähigt. Er wird gerettet durch die Gnade Gottes und seine freie Mitarbeit, also durch den Glauben und durch gute Werke. Deutlich wird, dass die Kirche im Unterschied zur evangelischen Position die Rechtfertigung wesentlich im Zusammenwirken von Gott und Mensch sieht. Wenn aber KathoIiken und Protestanten von Gnade sprechen, meinen sie unterschiedliches: Die Kirche versteht unter der heiligmachenden Gnade eine Erhebung der menschlichen Natur und Teilhabe am Leben Gottes. Für den Protestantismus, in dem die menschliche Natur als gänzlich verdorben gilt, ist eine derartige Auffassung unannehmbar. Vielmehr wird hier die rechtfertigende Gnade Gottes als „gnädiger Blick“ verstanden, den Gott auf den Sünder wirft. Er wird gewissermaßen begnadigt. Eine wesenhafte Veränderung und innere Heiligung aber findet nicht statt, weshalb es in der evangelischen Kirche auch keine Heiligenverehrung gibt.(Nach P. Kolfhaus SJM)Näheres dazu siehe auch den 2. Absatz von „Aus meinem Leben“, wo ich meine Schwierigkeiten mit der evangelischen Position beschrieben habe.