Ökumene

Mit dem Thema „Ökumene“ tue ich mir im Augenblick schwer. Einerseits fühle ich mich all jenen Christen – auch den nichtkatholischen – verbunden, die sich neu dem Heiligen Geist und seinen Gaben geöffnet haben und die versuchen, sich von ihm leiten zu lassen. Ich hoffe auch, daß viele von ihnen danach streben, sich vom Geist Gottes heiligen zu lassen und in seiner Kraft versuchen, der Verlockung zur Sünde zu widerstehen.

Andererseits sehe ich auch, daß viele Nichtkatholiken (und leider auch manche Katholiken) die Grundlagen unseres christlichen Glaubens mehr oder weniger aufgegeben haben, so etwa den Glauben an die Gottsohnschaft Jesu, an seine Auferstehung und an seine jungfräuliche Geburt. Viele wissen nicht (mehr), daß sie im Sakrament des Altares den göttlichen Leib Christi und sein heiliges Blut empfangen, um so verändert zu werden, damit sie mit Paulus sagen können: „Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir“. So sehe ich die Gefahr einer „Ökumene am Nullpunkt“ auf uns zukommen, etwa nach dem Motto: „Wir nehmen unseren Glauben nicht mehr ernst – und ihr auch nicht. Also steht einer Wiedervereinigung nichts mehr im Wege.“ Vor einer solchen falschen Ökumene möge uns Gott bewahren.


Die sog. „Rückkehr–Ökumene“ hat man katholischerseits offiziell abgetan. Dafür laden uns heute die evangelischen Christen recht nachdrücklich ein, evangelisch zu werden. Und viele Katholiken scheinen diese Einladung freudig anzunehmen. Ob sich die Konzilsväter des II. Vatikanischen Konzils die Ökumene wohl so vorgestellt haben?


Gnade – was ist das eigentlich?
Vom Unterschied des Gnadenbegriffs im katholischen und evangelischen Denken.

Ich sehe immer deutlicher, daß gerade der Gnadenbegriff bei katholischen und protestantischen Christen ganz unterschiedlich gesehen wird. Von Luther her ist – wie ich meine – „Gnade“ gewissermaßen eine „Begnadigung“ des schweren Sünders. Sie wird demjenigen zuteil, der daran glaubt, daß Christus ihm durch sein Sterben am Kreuz diese „Begnadigung“ verdient hat. An seinem „Sünder–Sein“ ändert sich aber dadurch nichts.

Im Katholischen ist das anders. Hier ist die Gnade eine Kraft, die dem Sünder hilft, die aus der Erbsünde stammende Neigung zum Bösen zu überwinden – was nicht zuletzt durch den gläubigen Empfang der Sakramente ermöglicht wird. Er bekommt diese (durch den Kreuzestod Jesu ermöglichte) Kraft von Gott geschenkt, aber er muß auch selbst mit ihr mitwirken. Diese von Gott geschenkte Kraft will den Menschen heilen und heiligen, was aber nicht automatisch geschieht, sondern sein Mittun erfordert. Deshalb spricht man auch von der „heiligmachenden Gnade“. Weil dies bei den nichtkatholischen Christen nicht so gesehen wird, gibt es dort den Begriff des „Heiligen“ dort nicht. Die Kirchengeschichte zeigt uns aber, daß es Menschen gibt und gegeben hat, die von Gott tatsächlich in dieser Weise „geheiligt“ wurden. (Dies trifft m.E. sogar für manche nichtkatholischen Christen zu.)

Ich sehe hier auch eine Parallele zur Menschwerdung Christi: Gott zeugt Jesus durch den Heiligen Geist, aber Maria muß ihr Ja–Wort sprechen und die ihr von Gott angebotene Aufgabe annehmen und erfüllen. Gott und Mensch wirken zusammen. Genauso verhält es sich aus meiner Sicht mit den „Charismen“, den „Gnadengaben (1. Ko 12, 8 – 11). Gott tut etwas, aber der Mensch muß mittun. Er muß dem Kranken die Hände auflegen, prophetische Worte aussprechen und auf die Führung Gottes achten und ihr gehorchen. Die Sprachengabe ist zweifellos ein Gnadengeschenk Gottes, aber aussprechen muß der Mensch die Worte selbst: Gott und Mensch wirken auch hier zusammen.


Zur Frage des sogenannten „gemeinsamen Abendmahls“

Wir Katholiken können gar kein „gemeinsames Abendmahl“ mit unseren evangelischen Brüdern und Schwestern feiern, weil die katholische Kirche kein „Abendmahl“ kennt, sondern nur ein heiliges Meßopfer, in dem die Hingabe Jesu an den Vater und seine Auferstehung immer wieder Gegenwart wird. Wenn man also etwas Gemeinsames tun will, müßte man vom „gemeinsamen Meßopfer“ sprechen – aber wer tut das schon!

Wenn wir Katholiken aber – wie heute leider üblich – vom „gemeinsamen Abendmahl“ sprechen, übernehmen wir nicht nur den evangelischen Wortgebrauch, sondern praktisch auch die evangelische Theologie des Abendmahls. Zwischen dem evangelischen Abendmahl und der Heiligen Eucharistie besteht aber ein wesenhafter Unterschied. Ich habe das persönlich erlebt, als ich nach einer evangelischen Kindheit und einer glaubenslosen Jugendzeit mit 23 Jahren katholisch wurde. Als ich bei meiner Konfirmation das Abendmahl erhielt, wußte ich nicht, warum ich das empfangen sollte und was ich da überhaupt bekam. Es ist auch ohne jede spürbare Wirkung an mir vorübergegangen. (Ähnliches berichten auch andere Konvertiten.) Ganz anders aber war es neun Jahre später bei meiner Erstkommunion. Ich spürte den ganzen Tag deutlich, daß Gott in mir Wohnung genommen hat und anfing, mich zu heilen und zu verändern. Von da an ging ich – als Student! – jeden Morgen zur heiligen Kommunion, weil mir das so gut tat.

Mir wurde damals klar: die katholische Kirche hat das Sakrament des Altars in seiner Vollgestalt bewahrt, weil jeder Priester durch eine ununterbrochene Kette von Handauflegungen mit den Aposteln und so letztlich mit Jesus selbst verbunden ist und weil er im Sakrament der Priesterweihe die Vollmacht erhalten hat, das Brot in den Leib Jesu und den Wein in Jesu Blut zu verwandeln. Diese Vorstellung fehlt der evangelischen Kirche völlig und ebenso fehlt ihr die Priesterweihe. Deshalb kann der evangelische Pfarrer die beim Abendmahl übriggebliebenen Hostien in die Tüte zurückgeben und den übriggebliebenen Wein wegschütten. Für ihn ist das ja lediglich Brot und Wein und nichts anderes. Aus diesem Grund gibt es in der evangelischen Kirche auch keinen Tabernakel, in dem Jesus gegenwärtig wäre und angebetet werden könnte.

Dem evangelischen Denken ist es auch fremd, daß die Heilige Eucharistie uns heiligen will. Man kennt keine heiligmachende Gnade und auch keine Heiligen.

Viele Katholiken neigen leider dazu, das evangelische Abendmahl mit den Augen der katholischen Eucharistielehre zu betrachten und meinen deshalb, daß beides letztlich dasselbe sei. Das trifft aber nicht zu. Bei dem bestehenden wesenhaften Unterschied geht es nicht um unterschiedliche Meinungen oder um „Wortklauberei“ , sondern um die Bewahrung des Heiligsten und Ehrwürdigsten, was die Kirche von Jesus anvertraut bekommen hat: die Gegenwart Jesu im heiligsten Sakrament. Wenn die katholische Kirche das aufgeben würde, würde sie aufhören, die Kirche Jesu Christi zu sein. Voraussetzung für die Gemeinschaft am Tische Christi ist also, daß wir uns einig sind, was am Altar geschieht, was wir am Altar empfangen, ferner, daß der Geistliche gültig geweiht ist und daß wir auch in allen übrigen wesentlichen Glaubensaussagen übereinstimmen.

Dr. Hansmartin Lochner


Ohne Wahrheit gibt es keine Einheit

Der folgende Leserbrief erschien am 26. 10. in der „Tagespost“ und zeigt m.E. recht deutlich die häufig übersehenen Probleme auf, die einer Vereinigung der Kirchen noch im Wege stehen.

Wenn man sich Jahrzehnte lang um das ökumenische Miteinander bemüht hat, ist man als Katholik erstaunt über die Reaktion protestantischer Theologen auf die vatikanische Erklärung „Dominus Jesus“; noch mehr aber über die jüngsten Äußerungen des bayerischen Landesbischofs Friedrich zu diesen Fragen.

Die Ungeduld der Christen auf beiden Seiten ist begreiflich. Das was man mit dem „Dialog der Liebe“ umschreiben könnte, berechtigt uns zu großen Hoffnungen. Wie viele Missverständnisse wurden gottlob schon beseitigt!

Dennoch ist der „Dialog der Wahrheit“ zwischen den Kirchen unverzichtbar, der ist noch lange nicht abgeschlossen. Ich möchte hier D. Bonhoeffer zitieren: „Wo jenseits des Wahrheitsanspruchs die Einheit gesucht wird, dort wird die Wahrheit verleugnet, dort hat sich die Kirche selbst aufgehoben.“ Zu dieser Einsicht gehört auch, dass man den anderen jeweils so nimmt, wie er sich selbst zutiefst versteht. Dem katholischen Laien fallen einige Fragen ein, die er beim Dialog auf höherer Ebene meist vermisst.

Zunächst fragt man sich, warum diese Reaktion auf „Dominus Jesus“, wo darin doch nur die bekannten Positionen wiederholt werden. Man kennt Konzil und Katechismus der katholischen Kirche. Konnte man denn erwarten, dass die katholische Kirche aus Gefälligkeit unter der Hand auf gewisse unverzichtbare Elemente ihres Selbstverständnisses verzichtet?

Wenn Bischof Friedrich die Dinge auf den Kopf stellt, so bleibt doch nicht weniger wahr, dass die angeblich „abgefallene“ katholische Kirche tausendfünfhundert Jahre lang das Glaubensgut der Apostel und der Väter gehütet hat, auf dem dann die Reformatoren ihre neue Kirche aufbauen konnten.

Wo ist die Kirche, die nach dem Willen Jesu Christi eins sein soll? Welchen Inhalt deckt der Begriff „Protestantismus“? Ist nicht jedem Protestanten bewusst, dass es die protestantische Kirche so nicht gibt, wie man von der einen katholischen Kirche sprechen kann?

Man denke an die TeiIkirchen, Landeskirchen, Freikirchen, Gemeinschaften und Sekten, allein schon in Europa; erst recht aber denke man an die unüberschaubare Vielzahl von sich unabhängig gebenden Kirchen in Amerika und Afrika. Die Leuenberger Konkordie verbindet 98 Kirchen zu Kanzel– und Mahlgemeinschaften. Der ehemalige presbyterianische Pastor Scott Hahn nennt insgesamt die Zahl von fünfundzwanzigtausend Kirchen. Im Jahr 1996 bekannten sich mehr als fünfzig Denominationen zu einem Programm von 95 Thesen aus Protest gegen die Verirrungen anderer protestantischer Kirchen. Ist etwa die Nordelbische Kirche ebenso Kirche wie die Römisch–Katbolische mit ihren Episkopaten in allen Ländern der Erde?

3.Was ist der gemeinsame Glaube der verschiedenen protestantischen Kirchen? Genügt es etwa, auf die allen gemeinsame Bibel hinzuweisen? Hat nicht dieser biblische Glaube erhebliche Erosionen erfahren gerade in den vergangenen zweihundertfünfzig Jahren? Von Rationalisten und Bibeiwissenschaftlem und Entmythologisierern. Die Bischöfe Huber und Haarbeck halten die Bibel nicht mehr für Gottes Wort. Ein anderer empfiehlt, das Glaubensbekenntnis nicht mehr wörtlich zu nehmen. Selbst der so beliebte Jörg Zink präsentiert seinen Lesern eine recht vage Version des Credos. Wie ehrlich ist bei vielen noch der Glaube an die Dreifaltigkeit, die Gottheit Jesu, die Auferstehung Jesu und die Auferstehung der Toten? Gewiss, keine Lehrautorität wehrt den abweichenden Lehren, durch die neue Spaltungen entstanden sind. Haben sich übrigens nicht fast alle Spaltungen stets auf die Bibel berufen? Adolf von Harnack hat das vor über hundert Jahren offen ausgesprochen.

4. Welche Gemeinsamkeit verbindet uns im Verständnis der Sakramente? Wie lange wurde in den protestantischen Kirchen das Abendmahl an den Rand der Gottesdienste gedrängt oder ganz vernachlässigt?

In der Leuenberger Konkordie verzichtete man auf Luthers noch katholischen Glauben an die Realpräsenz zugunsten der calvinischen Deutung. Ist also Mahlgemeinschaft zwischen protestantischen Kirchen doch nur ein freundschaftliches Miteinander ohne das uns Katholiken so kostbare Geheimnis der Eucharistie nach Jesu Worten: „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib, denn wir haben teil an dem einen Brot!“ Dazu Joh 6,52–71.Ist es also mit Verlaub nicht unfair und etwas taktlos, wenn Protestanten so heftig in das Innerste unseres katholischen Glaubens und unserer Frömmigkeit drängen!? Wie wichtig hält man da auch unsere apostolisch begründete Überzeugung vom Weihepriestertum und von der apostolischen Sukzession des Bischofsamtes?

5. Schließlich ist zu fragen, ob der Graben zwischen katholischem und protestantischem Ethos auf biblischer Grundlage nicht breiter geworden ist? Sind nicht einzelne Landeskirchen auf dem Weg, die Forderungen vom Sinai mitsamt den Forderungen Jesu und Pauli auszuhöhlen? Ehebruch wird „enttabuisiert“, Ehescheidung als normal angesehen. Ja, man spielt mit dem Gedanken einer Scheidungsliturgie! Aus der Schrift glaubt man keine Einwände gegen Homosexualität entnehmen zu können. Daher auch die Duldung solcher Personen und Paare im protestantischen Pfarrhaus. Und hat nicht die Rosenheimer Erklärung von 1991 die Entscheidung der Frau in der Frage der Abtreibung über das Gebot Gottes gestellt? Wer erhebt noch Widerspruch gegen die unsäglichen Eskapaden feministischer Theologinnnen, (sogar Bischöfinnen), die mit dem „Mann Jesus“ nichts mehr im Sinn haben und an die Stelle des Erlösungstodes Jesu ihre eigene Blut–Theologie setzen?

Wer die hier geäußerten Besorgnisse durch die Stimme protestantischer Theologen bekräftigt sehen möchte, den verweise ich auf den Klagekatalog von Prof. R. SIenczka und Prof. G. R. Schmidt in der Zeitschrift „Kervgma und Dogma“, No. 42 von 1995. (S.169–174).

Professor Gerhard Seither Landau/Pfalz